"Uns verbindet, dass wir über alles reden können“. Drei Tandems aus dem Pat*innenschaftsprojekt des Bundesverbands Deutscher Stiftungen erzählen ihre Geschichte.
Der Bundesverband Deutscher Stiftungen ist mit dem Programm „Chancenpatenschaften” seit Beginn Teil des Bundesprogramms „Menschen stärken Menschen“. Hier stellen wir drei Tandems vor, die die ganze Vielfalt der im Chancenpatenschafts-Programm vertretenen Pat*innenschaftsprojekte verdeutlichen.
Ruth (genannt Rudi) Schmidt und Mozamel Niazia haben sich im Herbst 2017 im Sprachcafé der Bürgerstiftung Barnim Uckermark kennengelernt. „Ich hatte gerade das Studium in Eberswalde angefangen und bin gleich ins Café, weil ich so etwas aus meiner alten Stadt kenne“, erzählt Rudi im Interview. Mozamel, der im Dezember 2015 aus Afghanistan geflohen war, lebte zu dieser Zeit bereits ein Jahr in Deutschland und ging zur Berufsschule, um Deutsch zu lernen. Kurz darauf gingen sie die Patenschaft ein und begannen, Zeit miteinander zu verbringen.
Rudi, die von Beruf Vogelkundlerin ist, hat Mozamel und einen seiner Kollegen gefragt, ob sie im Wald Vögel beobachten wollen. So entwickelte sich schnell eine Freundschaft zwischen ihnen, heute bezeichnet sie Mozamel als ihren „kleinen Bruder“.
Für Mozamel wiederum war es wichtig, jemandem wie Rudi an seiner Seite zu haben: „Ich bin alleine nach Deutschland gekommen und kannte niemanden hier. Es war alles neu für mich, die Sprache, die Kultur, das System. Wenn Rudi und ich uns sehen, bringe ich Briefe von der Ausländerbehörde, dem Sozialamt oder der Krankenkasse mit, die ich alleine nicht verstehen kann, und dann hilft sie mir“. Gemeinsam und mit Hilfe eines Anwalts ist es ihnen sogar gelungen, eine drohende Abschiebung zu verhindern.
Da die Förderung des Bundes für eine Pat*innenschaft nach zwei Jahren endet, sind sie heute kein offizielles Tandem mehr. Rudi arbeitet inzwischen an einem anderen Ort, aber wenn sie in der Gegend ist, dann treffen sie sich immer noch. Mozamel arbeitet heute als Zimmerkontrolleur in einem Hotel. „Uns verbindet, dass wir über alles reden können“, sagt Rudi. „Das ist toll, dass wir so füreinander da sein können.“
Ilka und Esey haben sich im April 2022 kennengelernt. „Da ich damals in der Grundschule im Rahmen der Notbetreuung gearbeitet habe, habe ich direkt gesehen: Dieses Kind braucht Förderung“, erzählt Ilka im Interview. Heute ist er eines von acht Kindern, denen sie bei sich zuhause individuell Nachhilfe gibt. Entstanden ist diese Form der Betreuung in der Corona-Pandemie. „Es hieß, dass Mentoren die Unterkünfte nicht mehr betreten dürfen“, erinnert sich Ilka. „Da sind die Kinder dann zu mir gekommen, ich wohne ganz in der Nähe der Schule. Weil das vom Wetter her ging, haben wir auf der Terrasse Hausaufgaben gemacht. Und da habe ich gemerkt, dass das auch für mich sehr bequem ist.“
Bei so vielen Schüler*innen kommt Ilka auf 20 bis 30 Stunden „Ehrenamt“ in der Woche. Zusammenlegen kann sie die Treffen nicht: „Ich habe es zweimal echt probiert und gemerkt, es geht nicht. Die Kinder brauchen Einzelbetreuung.“ Dabei ist sie nicht nur für die schulischen Belange, sondern auch für persönliche Probleme und Bedürfnisse der Kinder da. „Manchmal mache ich auch so kleinere Events und wir gehen in die Wilhelma, den Stuttgarter Zoo. Oder ich organisiere, dass Kinder im Sommerlager angemeldet werden.“
Zu Esey, der mit seiner Familie vor sieben Jahren aus Eritrea nach Deutschland gekommen ist, hat sie den intensivsten Kontakt, weil er eine Zeitlang fast täglich bei ihr war. Heute kommt er noch zwei Mal die Woche und Ilka konnte ihm aufgrund seiner Fluchtgeschichte eine Kindertherapeutin vermitteln. „Für ihn ist das ganz wichtig zu wissen, dass seine Mutter und er immer zu meinem Mann und mir kommen können. Das ist ein sicherer Hafen. Ich bin eigentlich wie so eine Oma.“
In der Diehl-Zesewitz-Stiftung Magdeburg sprechen sie nicht von Mentor*innen und Mentees, sondern von Dank- und Zeitstifter*innen. Die Teilnehmenden des Pat*innenschaftsprojekts sind Senior*innen, die miteinander Zeit verbringen. So auch bei Sonja (87 Jahre) und Rita (84 Jahre), die sich seit 2011 regelmäßig treffen. Gemeinsam gehen sie Essen, laden sich gegenseitig zum Kaffeetrinken ein oder Rita begleitet Sonja zu Arztterminen. Denn zu Beginn war Sonja die Zeitstifterin, seit einem Schlaganfall hat sich das Verhältnis der beiden aber etwas gedreht. „Natürlich fragt man mal, ob man was besorgen soll oder helfen. Weil ich weiß, Rita würde das auch tun“, sagt Sonja im Interview. Auf die Frage, was das Geheimnis ihrer schon zwölf Jahre andauernden Freundschaft ist, antwortet sie lapidar: „Ja, warum soll das nicht halten? Ich bin nicht so ein Mensch, der rumzankt, und Rita auch nicht.“ Und auch für Rita ist klar: „Das Ganze ist ein Geben und Nehmen. Man macht das ja auch gerne, ob das nun ein Ehrenamt ist oder nicht.“
Autorin: Lena Guntenhöner, Bundesverband Deutscher Stiftungen