"Impulspatenschaften" wirken! Einblick in die Evaluationsergebnisse des innovativen Pat*innenschaftsmodells der "bagfa e.V."
Die Evaluation des dreijährigen Projekts „Impulspatenschaften“ der bagfa e.V. zeigt positive Ergebnisse. Das Projekt wurde als niedrigschwellige Form des personenbezogenen Engagements eingeführt, zunächst für geflüchtete Menschen und ab 2019 auch für Menschen mit Migrationsgeschichte, mit Behinderung oder Mobilitätseinschränkung sowie weitere Gruppen aus anderen sozial bzw. individuell belasteten Lebenslagen geöffnet. In einer „Impulspatenschaft“ treffen sich die Tandems zunächst drei Mal, um Pat*innenschaften leichter zugänglich zu machen. Nach diesen Treffen zeigt sich oftmals ein sogenannter „Klebe-Effekt“, bei dem viele Freiwillige bereit sind, sich umfassender einzubringen (Schüler, 2023, S. 21).
Die bagfa e.V. hat das Projekt von 2019 bis Ende 2021 mit verschiedenen Methoden über die dreijährige Projektlaufzeit selbst evaluiert und in der Publikation „Impulspatenschaften für mehr Integration und Teilhabe“ (Schüler, 2023) zusammengefasst. Erfasst wurde die Perspektive der beteiligten Freiwilligenagenturen, bzw. der dort jeweils verantwortlichen Mitarbeitenden, sowie die Perspektive der „Impulspat*innen“, unter anderem durch Einzelinterviews, Gruppeninterviews und Online-Umfragen. (S. 6).
Die Ergebnisse sind vor allem spannend im Hinblick auf die Umsetzung der „Impulspatenschaften“ unter den Vorzeichen der Covid-19 Pandemie, sowie hinsichtlich der Wirkung auf die engagierten Impulspat*innen selbst, als auch auf das Engagement von Mentees* nach der Erfahrung der eigenen „Impulspatenschaft“.
„Impulspatenschaften“ unter Pandemie-Bedingungen: Kreative Lösungen für neue Herausforderungen
Während der Corona-Pandemie mussten die Freiwilligenagenturen ihre Aufgaben im Rahmen der „Impulspatenschaften“ an die sich ständig ändernden Bedingungen anpassen. Große Herausforderungen waren der Rückzug ins Private, Kontaktbeschränkungen und die anhaltende Planungsunsicherheit bezüglich persönlicher Treffen. Die Kontaktbeschränkungen führten zu einem erhöhten Aufwand für die Freiwilligenagenturen, beispielsweise war bei den digital umgesetzten Tandems das Versenden und Zurückholen von Pat*innenenschaftsvereinbarungen komplizierter als bei persönlichen Treffen (S. 16). Trotz dieser Herausforderungen wurde das Projekt gut umgesetzt. Ein Großteil der Freiwilligenagenturen (74%) gab in Bezug auf das Jahr 2020 an, dass sie ihre Aufgaben trotz des außergewöhnlichen Jahres gut gemeistert haben (S. 15). Kreative Lösungen, wie die Umstellung auf digitale Treffen oder die Schaffung neuer Formate, ermöglichten den Kontakt auch für Risikogruppen und Menschen in der Quarantäne. Beispielsweise boten sogenannte „Schnuddelpatenschaften“[1] einen Kontaktaufbau und Austausch mit Senior*innen via Telefon und weitere Hilfen an, die etwa Erledigungen und Einkaufen mit Austausch und Begegnung verbanden (S. 15).
[1] „schnuddeln“ ist hessisch, bedeutet in etwa erzählen.
Die meisten Impulspat*innen während der Pandemie waren zwischen 18 und 40 Jahre alt und überwiegend weiblich. Viele von ihnen engagierten sich zum ersten Mal in ihrem Leben und sahen in der aktuellen Situation eine Möglichkeit, solidarisch zu handeln. Die meisten Pat*innen (80%) waren gut in der Lage, ihr Engagement in ihren Alltag zu integrieren, und empfanden die Erfahrung als bereichernd. (S.19). Trotz der Kontaktbeschränkungen entwickelten sich oft verbindliche Beziehungen zwischen den Tandems (S.20). Die Befragung unter den Freiwilligenagenturen ergab, dass diese die „Impulspatenschaften“ im Kontext der Pandemie „als sehr wertvoll“ angesehen haben, um Einsamkeit und Isolation abzumildern (S. 21).
Impulspat*innenschaften als niedrigschwelliger Einstieg ins Engagement und Ausdruck von Solidarität
Die Umfrage unter den Impulspat*innen zeigte, dass für 36% der zunächst begrenzte Umfang der Pat*innenschaften (nur drei Treffen) eine sehr wichtige bis wichtige Rolle bei ihrer Entscheidung zu einem Engagement spielte. Insbesondere in der Corona-Zeit war dieser Anteil mit 56% noch größer. Viele Freiwillige gaben an, dass ihnen das Format durch die zeitliche Begrenzung und die konkreten Aufgaben den Schritt zum Engagement erleichtert hat. (S. 9).
Viele Impulspat*innen gaben an, dass sie durch ihr Engagement verstärkt Wahrnehmungen, Fähigkeiten und Haltungen entwickelt haben, die über die konkrete Unterstützung hinaus für Teilhabe, Solidarität und Zusammenhalt wichtig sind. Zwei Drittel der Befragten stellten fest, dass sie sensibler im Umgang mit anderen Personen geworden sind. Zudem bringen knapp 70% der Impulspat*innen in Diskussionen mit anderen verstärkt die Perspektiven und Interessen ihrer Tandempartner*innen ein. (S. 30).
Vom Mentee* zur Pat*in
Die Erfahrung der Impulspatenschaft hat bei vielen Mentees den Wunsch geweckt, sich selbst einzubringen und anderen zu helfen. Die befragten Freiwilligenagenturen berichteten, dass ehemalige Tandempartner*innen sich selbst als Pat*innen engagieren oder in anderen Bereichen aktiv werden möchten. Etwa zwei Drittel der beteiligten Agenturen hatten die aus den Zielgruppen stammenden Tandempartner*innen gezielt als potenzielle Freiwillige gewinnen wollen. In den Umfragen der ersten beiden Jahre (2019 und 2020) gaben die Agenturen an, dass dies bei einer beträchtlichen Anzahl von Menschen mit Fluchterfahrung gelungen ist (S.31).
„Die Impulspatenschaften begeistern – gerade da sie Freiwilligen einen niedrigschwelligen Einstieg in ein Engagement bieten. Sie zeigen einen Weg auf und machen Lust auf mehr – trotzdem berücksichtigen dabei die Bedürfnisse von Pat*innen und Mentees. Davon profitieren alle gleichermaßen und nicht zuletzt wird Teilhabe in unserer Gesellschaft ermöglicht.“ (Tobias Kemnitzer, bagfa e.V.)
Die Evaluationsergebnisse der bagfa e.V. zeigen, dass „Impulspatenschaften“ einen positiven Beitrag zur gesellschaftlichen Teilhabe verschiedener Gruppen leisten und freiwilliges Engagement ermöglichen, fördern und stärken. Den Verfasser*innen der Evaluation ist jedoch wichtig anzumerken, dass die Ergebnisse nur einen Ausschnitt der ausgelösten Prozesse erfassen können und daher nicht alle Wirksamkeitspotenziale abbilden. In der Publikation betont abschließend die Projektleitung einer Freiwilligenagentur, dass die „Impulspatenschaften“ mehr Menschen zusammengebracht und Unterstützung ermöglicht haben, „als auf dem Papier geschrieben steht und abgerechnet wird“ (Zitat Projektleitung Freiwilligenagentur). (S. 35).
Weitere Informationen zu den „Impulspatenschaften“ findet ihr hier.
Autorin: Malica Christ, BBE