Mit Pat*innenschaften Einsamkeit begegnen und Vertrauen stärken
Spätestens seit der Covid-19-Pandemie ist Einsamkeit als relevantes gesellschaftliches Problem in das Zentrum vieler Debatten gerückt. Doch wie definiert man Einsamkeit, welche gesellschaftlichen Folgen hat sie und wie können Pat*innenschaften dabei unterstützen ihr produktiv zu begegnen? Im Rahmen des 8. und 9. BBE-Fachkongresses haben sich Teilnehmende in Workshop-Sessions mit diesen Fragestellungen auseinandergesetzt.

Sind wir alle gleich einsam?
Spätestens seit der Covid-19-Pandemie ist Einsamkeit als relevantes gesellschaftliches Problem in das Zentrum vieler Debatten gerückt. Einsamkeit ist eine negative, subjektive Erfahrung, welche sich auf die Diskrepanz zwischen gewünschten und tatsächlich vorhandenen sozialen Kontakten bezieht. Im Rahmen der Pandemie ist die Einsamkeitsbelastung in Deutschland in allen Bevölkerungsgruppen, insbesondere aber bei jungen Menschen, angestiegen. So waren im Jahr 2021 die 18- bis 29-Jährigen prozentual am stärksten von Einsamkeit betroffen. Langzeitstudien zeigen allerdings, dass auch ältere Menschen mit über 75 Jahren stark unter Einsamkeit leiden. Das Einsamkeitsbarometer 2024 im Rahmen der Strategie der Bundesregierung gegen Einsamkeit weist darauf hin, dass Frauen, vulnerable Gruppen wie Alleinerziehende, Erwerbslose oder von Diskriminierung betroffene Menschen, besonders stark unter Einsamkeit leiden. Daraus ergibt sich, dass Einsamkeit vielschichtig und bestenfalls unter Einbezug einer intersektionalen Perspektive betrachtet werden sollte.
Einsamkeit gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt
Einsamkeit kann mit hohen physischen und psychischen Belastungen einhergehen, wobei sich sogar das Mortalitätsrisiko erhöhen kann. Neben diesen individuellen Auswirkungen hat Einsamkeit auch gesellschaftliche Folgen. So nimmt bei Personen, welche von Einsamkeit betroffen sind, das Vertrauen in demokratische Institutionen ab. Sie sind anfälliger für Verschwörungstheorien und Desinformation, wobei sie sich grundsätzlich weniger im politischen Bereich engagieren. Dadurch wird der soziale Zusammenhalt insgesamt geschwächt. Gleichzeitig sorgen die psychischen und physischen Folgen von Einsamkeit für steigende Kosten im Pflege- und Gesundheitssektor.
Einsamkeit mit Pat*innenschaften begegnen
Das Bundesprogramm „Menschen stärken Menschen“ motiviert die Begegnung, den Austausch und ein empathisches Miteinander auf Augenhöhe durch das Stiften von Chancenpat*innenschaften. Pat*innenschaften stellen eine besondere Form der sozialen Beziehung dar, welche auf Zwischenmenschlichkeit, Vertrauen und Nähe basiert, was grundlegende Faktoren zur Einsamkeitsbegegnung darstellen. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Einsamkeit ist für das Programm „Menschen stärken Menschen“ entscheidend, da viele Personengruppen erreicht werden, die auf Grund von Marginalisierung und Diskriminierung besonders vulnerabel gegenüber Einsamkeit sind.
Wie kann das Engagement in Pat*innenschaften dazu beitragen, Einsamkeit zu begegnen? Mit dieser Frage beschäftigten sich Expert*innen aus Forschung und Praxis im Rahmen des 8. und 9. BBE-Fachkongresses im Bundesprogramm „Menschen stärken Menschen“. Dabei fokussierte ein Workshop im Jahr 2023 das Potenzial der generationsübergreifenden Begegnung in Pat*innenschaften, während ein Workshop im Jahr 2024 Strategien gegen Einsamkeit im Kontext von Demokratiestärkung thematisierte.

Hervorzuheben sind in diesem Kontext Pat*innenschaften, die generationenübergreifend Menschen einander nah bringen. Gerade ältere Menschen können häufig mehr Zeit in ein Engagement investieren und sich länger und verbindlicher engagieren. Dabei können verschiedene Generationen durch ein gegenseitiges Lernen profitieren, indem ältere Menschen ihren Erfahrungsschatz teilen und gleichzeitig durch den Kontakt zu Jüngeren den Anschluss an neue gesellschaftliche Entwicklungen (wie bspw. digitale Technologien) nicht verlieren. Pat*innenschaften können so grundsätzlich Anreize und Hilfestellung dabei geben, sich stärker am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. Allerdings bleibt es eine besondere Herausforderung, äußerst zurückgezogene Menschen zu erreichen und Strategien zu finden, um sie in bestehende Projekte zu integrieren. Weitere Forschung und der interdisziplinäre Austausch sind notwendig, um Angebote und Formate entsprechend weiterzudenken.
Aus beiden Formaten ging hervor, dass der freundschaftliche Charakter, auf dem die Beziehung zwischen Pat*innen und Mentees oftmals basiert, eine wichtige Rolle bei der Begegnung von Einsamkeit durch Pat*innenschaften spielt. Im Rahmen von Pat*innenschaften können soziale Beziehungen, mit Hilfe der Begleitung von Projektkoordinierenden, positiv, auf Augenhöhe und im direkten Austausch erlebt werden. Insbesondere die Umsetzung von 1:1-Pat*innenschaften bieten hierfür die Möglichkeit, nicht nur Einsamkeit zu lindern, sondern ihr auch präventiv vorzubeugen. Besonders vulnerable Gruppen, die potenziell häufiger von Einsamkeit betroffen sind, finden durch Pat*innenschaften Anschlussmöglichkeiten. So können beispielsweise explizit Menschen mit Fluchterfahrung oder Erwerbslose angesprochen werden, die normalerweise weniger Möglichkeiten haben, am sozialen Leben teilzunehmen. Dabei ermöglichen Pat*innenschaften, dass ein Austausch zwischen Menschen, die verschiedenen sozialen Gruppen angehören, stattfinden kann. Hierdurch können soziale Interaktion und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden.

Aktiv gegen Einsamkeit mit der Woche des bürgerschaftlichen Engagements
Mit der Frage, wie Einsamkeit aktiv vorgebeugt und begegnet werden kann, beschäftigt sich in diesem Jahr auch die Woche des bürgerschaftlichen Engagements, die vom 12. bis 21. September 2025 stattfindet. Im Rahmen dieser bundesweiten Aktionswoche sollen bestehende Projekte unterschiedlicher Akteur*innen aus Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sichtbar gemacht werden, die sich auf effektive Weise gegen Einsamkeit und für präventive Maßnahmen einsetzen. Alle sind eingeladen, mit eigenen Aktionen und Veranstaltungen Teil der Woche zu werden und so aktiv an Netzwerken gegen Einsamkeit und Isolation teilzuhaben. Ab dem 28. April können die geplanten Aktivitäten im Engagement-Kalender, der offiziellen Veranstaltungsplattform, angemeldet werden. Bis einschließlich 28. Februar wird für die Engagement-Woche zudem eine Person als Engagement-Botschafter*in gesucht, die als Vorbild dient und dem Thema durch ihr Engagement und ihre Verdienste ein Gesicht gibt. Vorschläge können über das Online-Formular der Kampagnen-Webseite eingereicht werden.
Autorin: Naomi Mebus, BBE
Quellen
Zukunft inklusiv(e): Mit Pat*innenschaften auf dem Weg in eine vielfältige Gesellschaft. 8. BBE-Fachkongress im Bundesprogramm „Menschen stärken Menschen“ am 7. und 8. November 2023, BBE_MsM2023-Dokumentation_LY05_003_FIN.pdf
Gemeinsam handeln – Allianzen bilden: Mit Chancenpat*innenschaften für eine starke Demokratie. 9. BBE-Fachkongress im Bundesprogramm „Menschen stärken Menschen“ am 5. November 2024.
Einsamkeitsbarometer 2024. Langzeitentwicklung von Einsamkeit in Deutschland, 2024, Einsamkeitsbarometer 2024.
Engagement macht stark. Woche des bürgerschaftlichen Engagements. Aktiv gegen Einsamkeit, Einsamkeit | engagement macht stark! – Woche des bürgerschaftlichen Engagements.